Vereinigte Arabische Republik

Vereinigte Arabische Republik
I
Ver|einigte Arabische Republik,
 
Abkürzung VAR, 1958-61 ein aus der Vereinigung von Ägypten und Syrien hervorgegangener Staat, umfasste - unter vorläufigem Verzicht auf den Gazastreifen - 1 184 700 km2 mit (1959) 29,4 Mio. Einwohner; Hauptstadt war Kairo. An der Spitze des Staates stand ein Präsident. Unter der Bezeichnung Vereinigte Arabische Staaten bestand 1958-61 auch eine lockere staatliche Verbindung zwischen der VAR und dem damaligen Königreich Jemen. Nach der Auflösung der Vereinigung behielt Ägypten bis 1972 den Namen VAR bei.
 
Nachdem sich Syrien wirtschaftlich und militärisch seit 1957 immer stärker an Ägypten angelehnt hatte, griff der ägyptische Präsident G. Abd el-Nasser, der sich an die Spitze der panarabischen Bewegung gesetzt hatte, den syrischen Plan einer syrisch-ägyptischer Union auf. Am 1. 2. 1958 beschlossen Vertreter beider Seiten die Gründung der VAR, der sich - im Sinne der Idee der Arabischen Nation - auch andere arabische Staaten anschließen konnten. Nasser, der anschließend mit 99,98 % der Stimmen der Bevölkerung zum Präsidenten der VAR gewählt wurde, suchte mit der Vereinigung die politisch-militärische Position der arabischen Staaten gegenüber Israel zu stärken sowie den Boden für einen gemeinsamen Markt dieser Staaten zu schaffen. Am 8. 3. 1958 bildete das Königreich Jemen mit der VAR eine Föderation. Die Enttäuschung über die wirtschaftliche Entwicklung der VAR im syrischen Teil, die Besetzung führender Staatsämter auch dort mit Ägyptern löste am 28. 9. 1961 in Syrien einen Putsch aus, der zur Auflösung der VAR führte.
II
Vereinigte Arabische Republik
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte die Armee in Syrien eine immer bedeutendere Rolle. Die 1943 gegründete, erst 1955 offiziell zugelassene sozialistische Baath-(Wiedergeburts-)Partei hatte den Panarabismus zum Ziel und stellte die dominierende Rolle der führenden sunnitischen Familien, die bereits unter dem französischen Völkerbundsmandat (1920-45) das Land regiert hatten, infrage. Die innenpolitischen Auseinandersetzungen und die militärische Niederlage im Krieg gegen den neuen Staat Israel lösten mehrere Staatsstreiche der Militärs aus, die in die Diktatur Adib Schischaklis mündeten.
 
Eine neue Verfassung wurde angenommen, in der der Islam als Staatsreligion festgeschrieben wurde, was sowohl die Baath-Partei als auch die Christen ablehnten. Syriens Wirtschaftspolitik wurde immer protektionistischer, im Gegensatz etwa zu der am freien Markt orientierten libanesischen. Schischakli entließ 1951 die zivile Regierung, setzte eine militärische ein und löste das Parlament auf. Er verteidigte Syrien gegen irakischen und amerikanischen Druck, schaffte den Konfessionalismus ab und stärkte wirtschaftlich die öffentliche Hand zuungunsten der herrschenden Familien. Nach einem erneuten Militärputsch im Frühjahr 1954 suchte Syrien unter Shukri Al Kuwwaki (1891-1967) die von der Baath-Partei, die in Rivalität mit der Kommunistischen Partei ständig an Boden gewann, geforderte Annäherung an Ägypten. Jedes Bündnis mit dem prowestlichen Irak, etwa der Bagdadpakt zwischen dem Irak und der Türkei, wurde abgelehnt. Eine Mehrheit sah in der Zusammenarbeit mit Ägypten den besten Weg für die Verwirklichung der eigenen neutralistischen Tendenzen: Nasser wollte die Solidarität der Araber mit seiner Politik der Unabhängigkeit stärken, die aus den Arabern eine internationale politische Macht schaffen sollte; die Baath-Partei verfolgte dagegen die Ideologie eines panarabischen Bündnisses.
 
Im Oktober 1955 wurde ein Militärpakt mit Ägypten geschlossen. Israel antwortete darauf mit der Bombardierung syrischer Gebiete, vermochte jedoch damit nicht, Syrien von seinem Kurs abzubringen. Im Juni 1956 wurde eine Regierung der Nationalen Union unter Sabri Al Asali gebildet, die Baath-Partei stellte den Außenminister. Die USA bereiteten seit 1955 mit Großbritannien den Sturz der syrischen Regierung vor, doch nach der Sueskrise mussten sie ihre Politik ändern, da der westliche Einfluss zugunsten der Sowjetunion verloren ging, die jetzt auch Syrien mit Waffen versorgte.
 
Syrien geriet immer mehr in sowjetische Abhängigkeit. Seine Nachbarn standen aber auf der Seite der USA, vor allem die Türkei, die Truppen an der syrischen Grenze konzentrierte. König Saud von Saudi-Arabien versuchte zwischen den USA und Syrien zu vermitteln, jedoch ohne Absprache mit Nasser, der dem Wunsch der syrischen Nationalisten nach einer Union mit Ägypten nachkam und am 13. Oktober 1957 ägyptische Truppen in der Hafenstadt Al Ladhikijjah (Lattakieh) landen ließ, die entlang der Grenze zur Türkei Stellung bezogen. Die Baath-Partei legte im Dezember einen Unionsentwurf vor; die syrische Armee entschied sich aus Furcht vor der Zersplitterung in sich bekämpfende Gruppen für die Union mit Ägypten. Nasser nahm den Entwurf im Januar 1958 an, jedoch erst nachdem er seine Vorstellungen durchgesetzt hatte: keine Föderation, sondern eine Fusion mit Ägypten. Am 1. Februar 1958 wurde die Union verkündet, die Vereinigte Arabische Republik (VAR).
 
Anfangs genoss Nasser große Popularität in Syrien, jedoch entfernte er nach und nach die syrischen Politiker aus verantwortungsvollen Stellen. Die Schwierigkeiten in Syrien nahmen zu, und Nasser griff alle Separatisten, sogar die Kommunisten an, hielt jedoch am Sozialismus fest. Der Jemen schloss sich am 8. März 1958 in einem lockeren Bündnis der VAR an, um die Vereinigten Arabischen Staaten zu bilden; dieser Schritt blieb jedoch nahezu ohne praktische Konsequenzen. Nach dreieinhalb Jahren wurde die VAR durch einen Militärputsch in Syrien wieder gelöst (28. September 1961).
 
Das Scheitern der VAR war vor allem in dem ägyptischen Hegemoniestreben begründet, das Syrien, die »Nordprovinz« der VAR, nicht als Partner, sondern als Besitz betrachtete. Die Nationalisierungen in Ägypten gestalteten alle wirtschaftlichen Bereiche zugunsten der ägyptischen Interessen, und die syrischen Beamten wurden in ihrer eigenen Heimat durch Ägypter ersetzt. In Syrien war die Baath-Partei uneingeschränkt für die Fusion mit Ägypten eingetreten. Dennoch kam bald die Ernüchterung: Die Baath-Minister mussten feststellen, dass ihre Partei in Ägypten nicht geduldet wurde und ihre Kompetenzen in der gemeinsamen Regierung immer mehr beschnitten wurden; deswegen traten sie ab Ende 1959 zurück. Ägypten behielt den Namen VAR, bis Sadat ihn im Jahre 1971 durch Arabische Republik Ägypten ersetzte. Syrien hatte seine Souveränität wiedererlangt, und schon bald sollte die Baath-Partei an die Macht gelangen.

Universal-Lexikon. 2012.

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